Dienstag, 23. August 2011
Über den Wert der Kleinigkeiten
Was sind die Dinge, die das Leben erst so richtig schön machen, ihm einen Wert und einen Sinn geben? Manche Menschen denken dabei gleich an irgendwelche großartigen Sachen, aber wer vermag schon, diese zu vollbringen? Ist es da nicht vielleicht naheliegender, ganz oft viele Kleinigkeiten zu geben? Und wenn man dann diese Dinge betrachtet, die wir als so eine Kleinigkeit sehen, stellt sich dann nicht das ein oder andere Mal heraus, dass sie viel größer sind als das, wofür wir sie halten?

Ihr fragt euch jetzt, wie ich darauf komme, so ein wenig vor mich hin zu philosophieren? Ganz einfach: In den vergangenen Wochen haben Anke und ich gespürt, dass wir uns noch mehr sozial engagieren möchten. Dazu haben wir dann die Schwestern gefragt, die sogleich wussten, dass es hier nur einen Block weiter ein Altenheim gibt, in dem wir sicher helfen könnten.

So führt uns jetzt jeden Montag der Weg zu diesem Altenheim. Zuerst helfen wir dann bei der Once (eine Art Kaffee und Kuchen), wir bringen die alten Frauen in den Speisesaal, servieren das Essen und helfen, wo eben Hilfe gebraucht wird. Anschließend geht es dann auf die Krankenstation, denn nicht mehr alle dieser Frauen sind in der Lage, alleine zu essen und so reichen wir das Essen, was durchaus mal eine Herausforderung bedeuten kann, wenn jemand während dem Essen einschläft oder einfach nicht essen will, obwohl es ja so wichtig ist.

Altenheim

Altenheim

Altenheim

Zum Abschluss können wir den Frauen dann noch eines schenken: Zeit. Denn wer aus dem Personal hat schon Zeit, sich mit den Frauen hinzusetzen und ihnen zuzuhören, sich um sie zu kümmern und ihnen etwas zu erzählen? So sitzen wir dann zusammen mit den Frauen auf dem Sofa, hören uns ihre Lebensgeschichten an, stellen Fragen und so bekommen wir die ein oder andere sehr interessante Geschichte zu hören. Manchmal strengt es sehr an, denn alles auf einer Fremdsprache zu bewältigen ist nicht einfach, wenn die Menschen dann auch noch undeutlich sprechen, wird es fast zu einer Glückssache, zu verstehen, was sie ausdrücken möchten. Aber nichts desto trotz, es ist eine Aufgabe, die mich mit Freude und Glück erfüllt. Denn wenn ich in die Gesichter dieser Frauen blicke, dann sehe ich, wie gut es ihnen tut, dass jemand da ist, der ihnen zuhört, der sich Zeit für sie nimmt und ihnen das versucht zu schenken, was jeder Mensch am meisten braucht: Liebe. Und genau mit dieser Intention machen wir uns jeden Montag auf den Weg, auf einen Weg, auf dem jede unserer Taten ein Stück Liebe schenken soll. Dort, wo vorher ein trauriges Gesicht war, soll ein Lächeln entstehen und dort, wo Einsamkeit herrschte, Freude wachsen.
Das ist schwierig? Unmöglich für einen einzelnen Menschen? Nein, absolut nicht, denn schon ein einzelnes Lächeln meinerseits bewirkt ein Lächeln meines Gegenübers. Schenke ich durch ein offenes Ohr, eine Umarmung, ein tröstendes oder liebes Wort ein Stück Liebe, Vertrauen und Glück, so kommt es sogar doppelt zu mir zurück. Anhand dieser Erlebnisse im Altenheim merke ich wiedermal wie wahr der Spruch

„Das Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz, sondern im Geben.
Wer andere glücklich macht, wird glücklich.“

ist. Warum sonst kehre ich jedes Mal von Glück erfüllt und mit einer riesigen Begeisterung aus dem Altenheim zurück? Es gibt Situationen, die an mich hohe Herausforderungen stellen, mit denen ich kämpfe, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll, ich bringe Ängste mit, wenn ich die Menschen besuche, aber das, was ich ausstrahle, das ist Freude und es ist ein Geschenk, zu beobachten, wie sie sich ausbreitet. Ich habe nicht viel, was ich diesen Menschen dort geben kann, aber vielleicht kann ich ihr Leben mit Liebe und Hingabe ein klein wenig bereichern. Auch wenn es nur ein Bruchteil einer Sekunde des Glücks sein mag, was ich geben kann, so macht es mich selber glücklich.

Aber wie sollen diese Kleinigkeiten zu etwas Großem werden? Ganz einfach: Ich nehme eine Kleinigkeit, füge eine weitere hinzu und schon ist die Kleinigkeit nicht mehr ganz so klein….und so führe ich den Weg fort und aus vielen Kleinigkeiten entsteht etwas Großartiges, Liebe. Und wer sagt überhaupt, dass das, was ich gebe und mir so klein erscheint auch für meinen Gegenüber eine Kleinigkeit ist. Ist Liebe eine Kleinigkeit, Glück? Wenn wir alle versuchen, ein Stück von dem zu geben, was in uns steckt, können wir dann nicht etwas wahrhaft großartiges schaffen?